Predigt zum 4. Sonntag nach Trinitatis

Römer 12,16b-21
Haltet euch nicht selbst für klug! Vergeltet niemandem Böses mit Bösem, seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht! Wenn möglich, soweit es in eurer Macht steht: Haltet Frieden mit allen Menschen! Übt nicht selber Rache, meine Geliebten, sondern gebt dem Zorn Gottes Raum! Denn es steht geschrieben: Mein ist die Rache, ich werde Vergeltung üben, spricht der Herr. Vielmehr: Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen; wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken. Denn wenn du dies tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich vom Bösen nicht besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute.

Liebe Gemeinde,
Lass dich vom Bösen nicht überwinden, sondern überwinde das Böse Gutem. „Das Böse ist immer und überall“ , heißt es in einem Schlager meiner Jugend. Sicher hat auch niemand von Euch Probleme damit, „das Böse“ zu benennen. Sehr vielgestaltig zeigt es sich wirklich immer und überall.
Ganz obenauf liegt für mich die sexualisierte Gewalt gegen Kinder, die es vielleicht / wahrscheinlich immer schon gab, die aber unglaubliche Ausweitung durch die Möglichkeiten moderner Technik und Kommunikation erfährt. 30.000 Beteiligte beim aktuell in den Medien erwähnten Fall. Abartige Emailprotokolle werden bekannt. Erwähnt wurde der Austausch darüber, welche Betäubungsmöglichkeiten die Besten seien. Völlig irre und abartig. Böse!
Bosheit 2 ist für mich immer noch der Umgang mit den Flüchtlingen auf dem Mittelmeer und das Verbot der Menschenrettung. Wirklich skandalös, aber ausgesprochen von Leuten, die wir gewählt haben, die unseren westlichen Werten verpflichtet sind oder sein sollten.
Medial auf Stelle 3 beim Bösen die Fleischfabriken von Tönnies und Co, der Umgang mit den Mitarbeitern, aber auch den Tieren, wo es nur um Masse und Profit geht. Lange schon angeprangert, aber von der Politik und der Bevölkerung weitestgehend akzeptiert.
Einige Vegetarier wussten es immer schon besser, oder finanziell Privilegierte, die nicht jeden Cent umdrehen müssen und statt bei den Discountern beim örtlichen Schlachter einkaufen können.
Ich rege mich auf über den Dieselskandal, den Entschuldigung: Beschiss der Käufer durch einen deutschen Dax-Konzern, der für die Lügner und Betrüger in der Chefetage sogar noch die Strafzahlungen übernimmt. Milliardenzahlungen werden fällig in den USA, aber hier hält man die Hand auf, um sich das Kurzarbeitergeld erstatten zu lassen.
Und dann soll ich diesen Ausgeburten des Bösen mit Gutem begegnen? Lieber Paulus, weißt du eigentlich, was du forderst?
Statt jetzt erstrecht VW, habe ich ganz bewusst einen französischen Wagen gekauft. Ich will Unternehmern wie Tönnies oder eben VW nicht mit Güte oder Gutem begegnen!
Unrecht muss Unrecht genannt werden und darf nicht unter einem wie auch immer begründetem Mäntelchen der Nächstenliebe oder was weiß ich, versteckt werden.
Ich halte christliche Werte hoch, bin aber doch nicht blöd!
Zu oft werden wir für dumm verkauft, man wolle nur unser Bestes, was in der Regel unser Geld ist, aber manchmal auch viel mehr.
Und dann kommst Du, Paulus mit dem Satz: Wenn möglich, soweit es in eurer Macht steht: Haltet Frieden mit allen Menschen!
Ganz ehrlich: ich verweise da gerne auf den guten alten Schiller. Er sagte: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt! Frieden mit allen Menschen? Manche wollen keinen Frieden, die provozieren nur mit Lügen, Unterstellungen und übler Nachrede. Und dann still bleiben, schön die Klappe halten um des lieben Friedens willen? Demütig alles erdulden, nach dem Motto: der Klügere gibt nach!?
Haben darum die Dummen so viel Macht?
Es scheint fast so, nein, nein, Paulus, mit mir nicht!
Halt stopp, sagt er, hör nochmal zu. Wenn möglich, soweit es in eurer Macht steht: Haltet Frieden mit allen Menschen! Keine Überforderung, da wird nichts Übermenschliches von dir verlangt.
Nur das Ziel soll nicht aus den Augen verloren werden und das Ziel ist und bleibt Frieden, die Überwindung des Bösen.
Und manchmal geschieht das Umdenken auf der anderen Seite durch unerwartetes Reagieren, dadurch, dass man eben nicht zurückschlägt, nicht handelt nach der Devise: Wie du mir, so ich dir!
Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen; wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken. Denn wenn du dies tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.
Fangen wir mal klein an, es muss ja nicht der große Feind sein, nehmen wir eine kleine Nervensäge, eine typische Szene ganz alltäglich zuhause: Ein kleiner Junge sollte die Bauklötze, mit denen er gespielt hatte, wieder aufräumen. Aber wie das manchmal bei kleinen Jungen dieser Altersklasse so ist, er will das nicht. Und wenn so ein kleiner Wutkopf etwas nicht will, dann will er das nicht. Naja, wir kennen das alle. Und als ihn die Mutter wieder und wieder ernsthaft aufgefordert das zu tun, da gerät er erst richtig in Fahrt, schließlich dreht er sich voller Wut um und schlägt mit seinen Fäusten auf sie ein. Was jetzt?

Nach dem üblichen Vergeltungsschema „Auge um Auge, Zahn um Zahn!“ hätte sie ihn genauso mit Fäusten schlagen müssen. Oder sie hätte ihn zumindest in anderer Weise adäquat züchtigen müssen. Aber was tut eine Mutter? Sie breitete weit ihre Arme aus, lächelt ihn an und drückt ihn liebevoll an sich.
Und dieser kleine, wild um sich schlagende Junge? Er bricht weinend zusammen. Und nach einer Weile des Schluchzens ist die Welt wieder in Ordnung und er räumt sogar die Bausteine ordentlich weg.
Ein Beispiel, das ganz ähnlich auch bei Erwachsenen funktionieren kann, wenn man es nur will! Aber es ist schwer, die gewohnten Verhaltensmuster zu verlassen und wir tappen immer wieder in die Falle, reagieren genau so, wie es erwartet wird, statt durch das Gegenteil zu irritieren und die Gewaltspirale zu durchbrechen.
Ganz wichtig, darauf weist Paulus gleich eingangs hin: Haltet euch nicht selbst für klug! Die Meinung, etwas besser zu wissen, der Anschein, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, ist meist schon Teil des Bösen, weil man sich erhebt über andere, aus einer vermeintlich höheren Warte kritisch auf die Mitmenschen und deren Verhalten hinabschaut.
Aus der Einsicht, dass wir in den allermeisten Situationen nicht besser sind oder uns oft zumindest genauso fragwürdig verhalten, sollte dann doch eine gewisse Demut erwachsen. Seit Anbeginn der Welt, biblisch seit der dem Sündenfall, hat der Mensch die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Er könnte, Du und ich könnten uns, wenn wir es nur wollten, für das Gute entscheiden, aber werden doch immer wieder schuldig. Und trotzdem gilt, was so mittendrin im Predigttext fast verloren geht: Wir sind Geliebte Gottes, als solche spricht Paulus uns an. Und genau darin besteht ein fundamentaler Unterschied zu allen, die mit Lug und Trug sich eine Stellung, eine Position oder auch ihre Würde erkaufen wollen. Wir haben sie schon! Von Gott, seit der Taufe ist uns zugesagt: wir sind seine geliebten Kinder, unverdient, allein aus Gnaden.
Darin liegt dann der Grund, uns anders zu verhalten, es zumindest zu versuchen. Für uns ist gesorgt, aber der Mitmensch, die bedrohte Schöpfung die friedlose Welt braucht unseren Einsatz.
Tun wir das unsrige für Frieden und Gerechtigkeit, aber maßvoll und friedlich, lassen uns auch durch viele kleine mühsame Schritte nicht frustrieren.
Bei allem Bemühen um Gerechtigkeit und ggf. daraus resultierender Strafe: Schon seit den Tagen des AT gilt: Die Rache ist des Herrn. Überlassen wir die wirklich ihm. Nur so wird Frieden möglich. Rache hier heizt nur die Spirale der Gewalt unnötig an.
Lass dich vom Bösen nicht überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Amen